Orden und Asche - Pasta blanda

Wien 1931. Für Victor Vogelauer, der einen Universitätsabschluß in Philosophie hat, gibt es keine beruflichen Perspektiven. Berlin 1931. Der Zahnarzt Erwin Müller ist arbeitslos und schlägt sich mit dem Sezieren von Leichen durch. Krakau 1938. Eli Landauer verschafft sich einen polnischen Namen und bemüht sich, die Last, zum auserwählten Volk zu gehören, loszuwerden. Warschau 1942, der Kriegsgefangene Gregor Czok versucht durch bedingungslose Anpassung und äußersten Gehorsam als Untergebener des Obersturmführers Victor Landauer, sein winziges Leben durch den Krieg zu bringen. Berlin 1945, Obersturmführer Erwin Müller schreibt in einem Bunker, kurz bevor ihn eine russische Granate vernichtet, Briefe an seinen Sohn, um vor ihm seine Vergangenheit von Schandtaten reinzuwaschen. Warschau 1958. Der Münzensammler und Devisenbesitzer Victor Vogelauer reist nach Polen und ergaunert bei einem linken Geschäft äußerst wertvolle Münzen.

Wie war es möglich, daß die schwarze Magie Hitlers tausende von intelligenten Gehirnen in eine derartige Umnachtung stieß und sie sich dann hörig machte? Von Arbeitslosigkeit zermürbt, von Orientierungslosigkeit gequält und von Angst geleitet stolpern Victor und Erwin in ihre Positionen beim SS-Geheimdienst und degenerieren zu von Alpträumen geplagten Menschenquälern. Scharfsichtig beschreibt Richard Klinkhamer, der den Krieg als Kind miterlebt hat und 1956 für vier Jahre zur Fremdenlegion ging, die Katastrophe der inneren Spaltung dieser zu Wildsäuen gewordenen Durchschnittstypen. Mehr noch als Erwin, der besser verdrängen kann, registriert Victor seinen inneren Zusammenbruch. Während er vor seinem Büro Polen und Juden foltern läßt, schreit er drinnen das Porträt Hitlers an: "Adolf, du gescheiterter Farbschmierer! Korporal Feldherr! Sie hätten dich bei Ypern in den Schlamm drücken sollen -- du übergeschnappter Scheißschnauzbart! Welcher anständige Mensch läuft schon mit einer solchen Klobürste auf der Lipper herum. Pfui Teufel!"

Natürlich versuchen die SS-Männer auch, sich gegenseitig hereinzulegen. Während Zahnarzt Erwin glaubt, Victor einen Strich durch seine privaten Machenschaften zu ziehen, verhilft er ihm in ungeahnter Weise dazu, den Krieg zu überleben. Victor ist der einzige der Protagonisten, der wieder in ein normales Leben rutscht, während alle anderen die neue Zeit nicht mehr anbrechen sehen und man fragt sich, warum gerade dieser Vogelauer überlebt hat, dieser Möchtegernphilosoph, diese zerrissene Seele? Wohl doch nicht etwa, weil er Goldtaler sammelte und insgeheim Hitler verachtete? Wenn der Golem aufsteigt, hat die Gerechtigkeit ihren letzten Dienst getan.

Klinkhammers Buch ist ein weiteres wichtiges Mahnmahl für den dunklen und nicht auszuradierenden Fleck in der deutschen Geschichte. Dieser Roman erinnert, macht nachdenklich, rüttelt auf und sein Stil ist so scharf und treffend wie der durchdringende Blick des Autors. --Daphne von Unruh